Gedanken zu spirituellem Feminismus

 

Immer wieder lese ich, spiritueller Feminismus oder Spiritualität allgemein sei unpolitisch und ich-zentriert. Auch dass Rassismus, kulturelle Aneignung und fehlende Kritik an Patriarchat und Kapitalismus ein Teil von spirituellem Feminismus wären, habe ich in einem Beitrag gelesen. Hier habe ich mir ein paar Gedanken dazu gemacht.

Zunächst zu der Sache mit der Ich-Bezogenheit: Das mag als Modeerscheinung in kapitalistischer Selbstoptimierungsmanier in Teilen durchaus der Fall sein.

Lebt man allerdings eine spirituelle Lebenseinstellung, geht man schonmal einen großen politischen Schritt. Denn wie kann man besser Frieden in die Welt tragen als wenn man Frieden in sich selbst hat?

Es existieren durchaus obskure Bewegungen im spirituellen Feminismus, aber die existieren auch innerhalb anderer feministischer Bewegungen. Kritisch wird es meines Erachtens immer dann, wenn man anderen nicht mehr zuhört und sich vorschnell eine Meinung bildet, wenn aus Miteinander ein Gegeneinander wird. Grundsätzlich finde ich aber, dass jede feministische Bewegung ihre Berechtigung hat, ihre Ursachen und wichtige Wahrheiten, die sie ausspricht. Zudem ist der individuelle Feminismus einer jeden Frau Ausdruck ihrer Geschichte, ihrer Erfahrung und ihrer Persönlichkeit.

Ich sehe spirituellen Feminismus aus verschiedenen Gründen als sehr politisch an. Zum einen das oben genannte: Wer sich gut um sich kümmert, kann sich auch positiv in die Welt einbringen. Auch sehe ich nicht, wieso man als spirituelle Feministin nicht auch links-politische Themen leben und kapitalistische und patriarchale Strukturen kritisieren kann.

Spiritueller Feminismus besinnt sich auf die Wurzeln der eigenen Kultur. Auch der eigene Schamanismus wird neben dem Schamanismus anderer Kulturen (wieder)entdeckt, was aus einer tiefen Sehnsucht heraus entsteht. Und daran ist erst einmal gar nichts rechts. Es ist nicht zu leugnen, dass es in dem Bereich rechte Bewegungen gibt. Aber es gibt eben auch linke Bewegungen. Wobei ich diese Begriffe eh viel zu eng finde, aber das an anderer Stelle.

Der spirituelle Feminismus kritisiert das Patriarchat in seiner grundlegendsten Form. Als einzige feministische Bewegung zeigt er eine alternative zu männlich geprägter Spiritualität auf und führt uns somit zu unseren Wurzeln zurück. Das kann man für Humbug halten, aber befasst man sich einmal näher damit und wagt es, sich darauf einzulassen, kann man es nicht leugnen.

Wem es beispielsweise gelingt, angstfrei und selbstbestimmt zu gebären und untraumatisierte, freie Kinder in die Welt zu setzen und großzuziehen, der trägt einen ganz wesentlichen Teil zu dieser Gesellschaft bei: Nämlich eine neue Generation. Eine Generation, die sich nicht ihr halbes Leben mit ihren tiefsten Traumata befassen und diese auf ihr gesellschaftliches Engagement projizieren muss.

Seine Töchter einen bewussten Umgang mit ihrer Weiblichkeit zu lehren, sie in Frieden mit ihrer Weiblichkeit aufwachsen zu lassen und ihnen einen natürlichen Umgang mit Menstruation und Geburt aufzuzeigen, hat nichts damit zu tun, Stereotype zu produzieren. Diese Mädchen können dennoch so großwerden, dass sie ihre Kleidung selbst wählen dürfen und ganz selbstverständlich auf Bäume klettern und eben sein dürfen, wer sie sein wollen.

Aber auch Frauen, die sich gegen Kinder entscheiden, können sich durch das bewusste Leben ihres Zyklus und damit einhergehender Losmachung patriarchaler Denk- und Arbeitsweise unabhängig machen und individueller und kraftvoller in die Gesellschaft einbringen.

Das sind zum Beispiel politische Themen, mit denen sich manche spirituelle Feministinnen befassen, sowie mit weiblicher Solidarität und mit einem Leben in Harmonie mit der Männlichkeit. Das sind vielleicht nicht unbedingt die Frauen, die feministische Bücher schreiben oder Lust auf feministische Debatten haben, aber das heißt nicht, dass es sie nicht gibt. Ihre Energie fließt einfach in andere Projekte.

Somit wälzen spirituelle Feministinnen Strukturen um (außerhalb patriarchaler Strukturen spirituell leben, unabhängig gebären, ihre Energie an den Zyklus angepasst einteilen), die vielen Frauen noch immer unbekannt sind und die, meines Wissens, in anderen feministischen Bewegungen keine oder nur teilweise Beachtung finden. Ich betrachte das aber auch nicht getrennt voneinander. Solidarität ist das Ziel und somit sollte es auch Teil des Wegs sein.

Zu viel Schmerz steckt noch in uns als dass wir immer klar sehen können. Aber außerhalb des Schmerzes will sich eine große Welle Glück entfalten.

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